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Der Chatbot in der Rechtsanwaltskanzlei

Standardisierte Fälle kann der Chatbot übernehmen

Kann ein Computersystem auch die Arbeit von Rechtsanwälten übernehmen?

Über diese Frage diskutierte ich mit meinen Schülerinnen und Schülern, nachdem ich ihnen von meinen Gesprächen in Tramin berichtet hatte (Bienen, Videos und Penetrationstests in Tramin – doch wo bleiben die Jobs?). Einhellige Meinung der Schüler war, dass der Computer den Arbeitsplatz des Rechtsanwalts nicht bedrohe: zu unterschiedlich seien die Fälle und als Anwalt müsse man auch immer die genauen Umstände des Einzelfalls prüfen und würdigen

Nun erschien in der Passauer Neuen Presse (1. September 2018) ein Artikel zu diesem Thema, den ich in Grundzügen wiedergeben möchte (Zitate aus dem genannten Artikel).

Die Passauer Ratis Anwaltskanzlei stellte sich die Frage, wie ihr Unternehmen in einer zunehmend digitalisierten Welt bestehen könne. Die gefundene Antwort lautete: Spezialisierung. Nicht allgemein Reise- und Arbeitsrecht werden als Dienstleistung angeboten, sondern ganz speziell Flugverspätungen und Kündigungen. Somit wissen die Mitarbeiter „schon bevor das Telefon klingelt, um was es gehen wird und können mit gezielten Fragen und Auskünften weiterhelfen.“

Neu im Dienst ist ein Chatbot, der die benötigten Informationen vom Mandanten online im Dialog abfragt und dann z. B. ein Schreiben an die Fluggesellschaft fast automatisch verfasst, „ohne dass ein ‚echter‘ Anwalt dazu nötig wäre“.

Diese Spezialisierung erlaubt einen hohen Ausstoß an Entschädigungsforderungen: Pro Monat werden Schreiben an Fluggesellschaften im dreistelligen Bereich erstellt und verschickt. Bei den Kündigungen sind es derzeit ca. 45 Fälle pro Tag – ohne die Fälle, die über den Chatbot liefen. Die Mandanten erhalten die Entschädigungen für Flugverspätungen zu 100 % ausgezahlt. Ratis verdient also lediglich in dem Fall, wenn es die Fluggesellschaften nicht schaffen, fristgerecht innerhalb von zwei Wochen zu antworten und den Fluggast zu entschädigen, denn dann hat die Gesellschaft auch noch die Anwaltskosten zu tragen, die Ratis zustehen. Und in den meisten Fällen entschädigt die Gesellschaft nicht fristgerecht.

Tendenz steigend

Das Unternehmen rechnet mit steigenden Fallzahlen und hat deshalb seine Server bereits auf 50 Mitarbeiter ausgelegt. 

Insofern stimmt, was der Wirtschaftsinformatiker in Tramin prophezeite: Den „Wald- und Wiesenanwalt wird es bald nicht mehr geben. Es wird die Spezialisten geben, die sich die künstliche Intelligenz der Computer zunutze machen werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“

Wie sich damit die Berufsaussichten für Juristen auf längere Sicht hin verändern werden, bleibt abzuwarten. Eine neue Ära scheint jedoch angebrochen zu sein – nicht nur für die Ratis Anwaltskanzlei in Passau.