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classEx – auf dem Smartphone Elfmeterschießen und Geld verteilen

In welche Ecke soll ich diesmal schießen?

Wer spielt nicht gerne Fußball? Wer versucht nicht, den Torwart beim Elfmeter auf dem falschen Fuß zu erwischen? Andererseits kennt ein erfahrener Torhüter die bevorzugte Ecke jedes Schützen. Doch der Schütze wiederum weiß, dass der Torhüter eine konkrete Erwartung über seine Schussrichtung hat. Und der Torwart weiß, dass der Schütze weiß, dass er weiß … Dieses Gedankenspiel lässt sich beliebig fortsetzen, im echten Spiel muss die Entscheidung schnell getroffen werden. Also: Wohin schießen bzw. wohin springen??? Und in welche Ecke schießt der Spieler beim nächsten Elfmeter? Und beim übernächsten?

Damit Schüler dieses Entscheidungsdilemma „in echt“ nachvollziehen können, kann man die Spiele von ClassEx nutzen. classEx steht für Classroom Experiments und ist eine Plattform, die der Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Wirtschaftstheorie von Prof. Lambsdorff (Universität  Passau) entwickelt hat.

Die Seite bietet mehr als 50 Spiele an, die der Lehrer im Klassenzimmer am Tablet startet, die Schüler spielen dann ganz zeitgemäß und deshalb höchst motiviert auf ihren Smartphones. Die „classEx“ haben natürlich keinen bloßen Unterhaltungswert, sondern dienen der Erfahrung von z. B. volkswirtschaftlichen Entscheidungssituationen.

Beim Spiel „Elfmeterschießen“ schießt der Schütze fünfmal aufs Tor. Mit welcher Strategie erzielt er die meisten Treffer? Soll er z. B. abwechselnd in die Ecken schießen oder nach der rechten Ecke gleich nochmals in die rechte, weil der Torwart ja dann eher mit der linken rechnet? Die optimale Strategie beim Elfmeterschießen möchte ich hier allerdings nicht verraten… Den Schülern hat dieses Spiel so viel Freude gemacht, dass wir gleich einen zweiten Durchgang spielen mussten. Besonders reizvoll war auch die Tatsache, dass kein Schüler wusste, gegen welchen Mitschüler er in diesem „Duell“ antrat.

Das „Elfmeterschießen“ simuliert z. B. die Situation zweier Unternehmen, die von Jahr zu Jahr die Preise ihrer Produkte neu festlegen müssen. In Unwissenheit des Preises des Konkurrenten dürfen sie nicht zu teuer sein, da die Nachfrager sonst beim Wettbewerber kaufen. Andererseits sollen und dürfen die festgesetzten Preise auch nicht zu niedrig sein, da das Unternehmen seine Kosten sonst nicht decken kann.

Im VWL-Unterricht wollten wir neulich die Existenz des zuvor besprochenen „Homo oeconomicus“ auf den Prüfstand stellen, also testen, ob wir alle wirklich wirtschaftlich, rein rational denkende und handelnde Menschen sind, die stets ihren eigenen wirtschaftlichen Vorteil anstreben. Das wollten wir mit Hilfe des Ultimatumspiels überprüfen.

Nachdem die Schüler sich im System angemeldet hatten, wurde ihnen per Zufall die Rolle A oder B zugeteilt. Zunächst ist Spieler A an der Reihe: Er hat die Aufgabe, 10 Euro zwischen sich und einem ihm unbekannten Spieler B aufzuteilen, indem er diesem einen beliebigen Betrag anbietet. Aber: Nur wenn Spieler B dem Angebot anschließend zustimmt, kommt der „Handel“ zustande. Sonst gehen beide Spieler (!) leer aus. Die Anonymität im Spiel ist hier wichtig, damit keine Sympathien oder Antipathien zum jeweiligen Spielpartner das Angebot und die Annahme mitentscheiden.

Nun sollte man erwarten, dass A dem B lediglich 1 Euro anbietet und der das Angebot auch annimmt, da dieser sich damit ja schließlich auch besser stellt („lieber 1 Euro geschenkt als gar nichts“).

Die anschließende Auswertung zeigt anschaulich, dass sowohl A als auch B ein Gespür für Fairness haben und A dem B in der Regel einen Betrag zwischen 40 und 60 Euro anbietet. Sollte das Angebot zu gering sein, so empfindet B das als unfair und er „bestraft“ Spieler A, indem er dessen Angebot ablehnt, wobei er dann aber auch selbst leer ausgeht.

Das Gefühl für (Un-)Fairness, im praktischen Experiment ist es zum Glück erkennbar und handlungsbestimmend, der Mensch ist zum Glück also nicht bloß ein „homo oeconomicus“.

Zu jedem Spiel lassen sich im Anschluss die (anonymen) Ergebnisse graphisch anzeigen und mit den Schülern besprechen.

Fazit: classEx ist eine sehr sinnvolle und zeitgemäße Erweiterung des didaktischen Instrumentariums, da es viele Experimente, die z. B. auch in Papierform möglich wären, ganz zeitgemäß digital durchführen und sie anschließend per Knopfdruck auswerten lässt. Das angebotene Spektrum der Experimente auf classEx ist so groß, dass wir sie bald wieder einesetzen werden – das musste ich den Schülern versprechen.

Nachwort: Ein herzlicher Dank geht an Frau Susanna Grundmann, die mich auf die classEx brachte. Frau Grundmann arbeitet am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Wirtschaftstheorie an der Uni Passau und berichtete mir auf unserer gemeinsamen Zugfahrt nach Hannover so begeisternd von den Möglichkeiten dieser Spiele, dass ich mich gleich tagsdrauf auf der Seite registrieren und bei nächster Gelegenheit zwei der zahlreichen Spiele im Unterricht einsetzen musste.