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Rückblick Flipped Classroom Convention 2017 in Berlin

Angeregter Gedankenaustausch

Auf Einladung der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, der Bertelsmann Stiftung und der Firma Sofatutor durfte ich auf der Flipped Classroom Convention (FCC) 2017 in Berlin meinen geflippten Unterricht in den Fächern BWR und Wirtschaftsinformatik vorstellen. Gemäß dem Prinzip des Flipped Classroom (FC) „Daheim erarbeiten, dann gemeinsam diskutieren“ hatten sich meine Teilnehmer in den Tagen vor dem Kongress ein Video angeschaut, in dem ich die Grundzüge meines FC vorstellte.

Voller Neugier und Erwartung fuhr ich dann am 29. Juni 2017 mit dem Zug in die Bundeshauptstadt, wo ich unpünktlich und bei sintflutartigen Regenfällen ankam (beeindruckende Videos über den Ausnahmezustand in Berlin sehen Sie hier und auch hier).

Die Veranstaltung am folgenden Tag begann mit der Vorstellung der Zwischenergebnisse des „Flip your Class!“-Projekts, bei dem drei Berliner Schulen den Flipped-Classroom-Unterricht  zwei Jahre lang erprobt hatten (und weiterhin erproben). Die wissenschaftliche Begleitung und Evaluierung erfolgte durch die Pädagogische Hochschule Heidelberg (vertreten durch Prof. Christian Spannagel und Julia Werner.)

Bei der anschließenden Fragerunde beantworteten die anwesenden Flipper viele Fragen aus dem interessierten Publikum.

Meinen anschließenden Workshop besuchten 7 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, womit ich recht zufrieden war, da ich bezogen auf meine Fächerkombination und meinen Schultyp eher eine Nische bediene.

Da alle Teilnehmer das vorbereitende Video angeschaut hatten, konnten wir gleich mit dem Gedankenaustausch beginnen. Wir diskutierten die Themen, die sich (nicht) zum Flippen eignen und worauf man bei der Erstellung der Videos zu achten hat. Eine Teilnehmerin war etwas verwundert, dass ich für den Unterricht in Wirtschaftsinformatik keine Praxis-Videos (Access, Excel) anbieten und einsetzen würde. Meine Begründung leuchtete ihr schließlich ein: „Für die Berufliche Oberschule ist es nicht angemessen, z. B. die Summewenn-Funktion in einem Video zu erklären und sie im Unterricht dann stupide anwenden zu lassen. Vielmehr entspricht es der beruflichen (und auch privaten) Realität, dass man ein Excel-Problem lösen möchte und selbst herausfinden muss, wie man das am besten hinkriegt: entweder mit der internen Excel-Hilfe oder mittels Recherche über eine Suchmaschine. Wir lehren den Schülern sinnvollerweise, richtig zu suchen, anstatt ihnen fertige Funktionen zu servieren. Diese Vorgehensweise deckt sich im Übrigen auch mit den Vorstellungen des neuen, kompetenzorientierten Lehrplans: „Sie analysieren eine betriebliche Aufgabenstellung, entwerfen einen Lösungsvorschlag und setzen diesen mit rechnerischen und ggf. grafischen Funktionen des Tabellenkalkulationsprogramms situationsgerecht um.“

Die Teilnehmenden und ich diskutierten auch über den „neuen Unterricht“, der jetzt, da die Wissensvermittlung aus dem Unterricht ausgelagert, ihm vorgelagert, wird, nun anders sein kann und muss. Dazu bieten sich z. B. die Methoden „Lernen durch Lehren“, „Schülersprechstunde“ oder „Aktives Plenum“ an. Eine andere Teilnehmerin staunte, als ich ihr sagte, dass das „Aktive Plenum“ an unserer Schule nach ca. 3 Übungsstunden funktionieren würde.

Nach 90 Minuten ging auch ich höchst inspiriert aus meinem Workshop raus, denn eine Teilnehmerin, Alicia Bankhofer aus Wien, hatte ihre bisherigen Erfahrungen so beschrieben: „Flipped Classroom hilft uns Lehrern, besser zu arbeiten, weil die Erstellung von Erklärvideos uns dazu zwingt, Dinge gut, präzise und zielführend zu erklären. Unsere Erklärkompetenz steigt dadurch. Außerdem bekommen wir sehr viel Feedback von den Schülern, so dass wir uns und unsere Methoden ständig auf den Prüfstand stellen können.“

Am Nachmittag belegte ich dann selbst Workshops. Christian Mayr, BWR- und Englischlehrer an der Realschule Zusmarshausen und Betreiber der Seite www.lernkiste.org, stellte das Programm H5P vor, mit dem sich interaktive Elemente in den Unterricht einbauen lassen. Z. B. können damit Quizzes in (Lern-)Videos integriert werden. Das Video stoppt dann an vordefinierten Zeitpunkten und blendet Multiple-Choice-Fragen ein. Erst nach der korrekten Beantwortung dieser Fragen kann das Video weitergeschaut werden. Mit H5P habe ich auch schon das eine oder andere Erklehrvideo interaktiv gestaltet.

Seit Ende 2016 ist H5P übrigens auch in mebis integriert. Lehrer können ganz einfach, völlig ohne Programmierkenntnisse auch Fremdvideos interaktiv gestalten, Fragebögen, Drag-and-Drop-Fragen oder Multiple-Choice-Fragen erstellen.

Sebastian Stoll (www.180grad-flip.de), Lehrer für Mathematik und Sport an der Geschwister-Scholl-Realschule in Riedlingen sorgte in seinem Workshop „Alle in einem Boot – Gemeinsam in den eigenen Flipped Classroom“ zunächst für verdutzte Gesichter, als er von seiner Erfahrung berichtete: „Die Schüler müssen erst lernen, Videos zu schauen!“

Er versetzte uns in die Rolle der Schüler und zeigte uns ein mehrminütiges Video über den Bau eines Papierfliegers. Im Anschluss daran teilte Stoll uns Papier und Schere aus und erteilte uns den Auftrag, diesen Flieger nun nachzubauen. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Workshopteilnehmer nicht mehr weiterwussten und baten, das Video an der entsprechenden Stelle nochmals ansehen zu können. Diesem und den Wünschen nach weiteren Wiederholungen an anderen Stellen kam Stoll gerne nach. Am Ende hatte jeder Teilenehmer einen sportlichen Papierflieger und die Erkenntnis: „Es reicht nicht aus, ein Video abzuspielen und mehr oder weniger passiv davorzusitzen. Man muss sich immer wieder hinterfragen, ob man dem Gesagten noch folgt oder den Faden verloren hat. In diesem Fall muss man zurückspulen, um den verpassten Schritt nachvollziehen zu können. Erst wenn die Schüler das verstanden haben, so sind sie ‚reif‘ für den geflippten Unterricht.“ Sebastian Stoll nennt diese Phase zu Recht „Flipgewöhnung“.

Flipped Classroom Convention 2017: Ich fühlte mich sehr geehrt, einen Workshop zu meinem geflippten Unterricht anbieten zu dürfen, und die (auch kritische) Diskussion mit meinen Teilnehmerinnen und Teilnehmern hat mich sehr bereichert. Doch auch der Gedankenaustausch mit den anderen Flippern am Vorabend der Konferenz beim „Warm-up-Bier“ und während der Convention haben mich sehr inspiriert und motiviert, das eine oder andere Element verstärkt in meinen Unterricht einzubinden. Dabei denke ich z. B. an das Tool H5P und auch an die Improvisationsmethoden, die Christian Freisleben-Teutscher zum Kongress-Abschluss einsetzte.

Meine Heimreise trat ich erst am darauffolgenden Tag nach ein paar Besichtigungen rund um den Berliner Hauptbahnhof an. Mit dabei: Viele schöne Erinnerungen an begeisterte und begeisternde Flipper und … noch immer feuchte Kleidungsstücke, denn auf meinem Weg zum Hotel zwei Tage zuvor war auch der Inhalt meines Koffers nicht vom Regen verschont geblieben.