Am 20. und 21. Februar 2018 fand in St. Pölten die siebente internationale Konferenz „Inverted Classroom and beyond“ statt, ich selbst war nun zum dritten Mal mit dabei. (Hier finden Sie den Bericht zum ICM16: „Inverted Classroom and Beyond 2016“ oder : Hört Ihr das Gras wachsen? – und hier geht’s zum Artikel über den ICM17. Der ICM 2017 in Marburg.) In diesem Jahr wurde ich von einer jungen Kollegin begleitet – vielleicht ein Indikator dafür, dass die Methode des Flipped Classroom nun allmählich an Bekanntheit gewinnt und die Bereitschaft, diese Methode näher kennenzulernen steigt.
Bereits eine Stunde vor Beginn der Konferenz fand ein Workshop zu Camtasia statt. Camtasia ist eine professionelle Software für Screenrecording und Videobearbeitung. Einen Artikel über dieses Programm können Sie hier nachlesen: Camtasia – effektvolle Videos effizient erstellen
Der erste Tag der Konferenz war – wie immer – dem Einsatz von FC im schulischen Bereich gewidmet. Die Keynote hielten Sigrún Svafa Ólafsdóttir und Hjalmar Arnason (Island). Sie beschrieben die Anwendung des IC-Modells und stellten die Ergebnisse einer von ihnen durchgeführten Studie vor. Besonders viel Zustimmung unter den Anwendenden erhielt Sigrúns rhetorische Frage:
„Why are you teaching like you teach? Ask yourself: are you preparing your students for their future or your past?““
Sie sprach auch über die Erstellung von (guten) Videos und hatte dazu einen griffigen Tipp: „Direct – Powerful – Gone“, was mich etwas an das Luther zugeschriebene Zitat erinnerte: „Tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör bald auf“.
Im Anschluss fanden zwölf parallele Workshops statt. Dabei ging es unter anderem um die „Agile Gestaltung der Präsenzphase im Flipped Classroom“ (Ivi-Education), „Das Lernen mit Videos lernen“ (Julia Werner von der PH Heidelberg), „SchülerInnenaktivierende Methoden in der Präsenzphase“ (Stefanie Schallert und Christine Abila, BHAK Wien 11). Allein aufgrund dieser Auswahl an Workshops wird deutlich, dass das Augenmerk beim Flipped/Inverted Classroom nicht (vorrangig) auf die Videos gerichtet sein sollte. Sie sind nur die Methode, um im Unterricht oder in der Vorlesung „Räume“ zu schaffen, in denen Lernende und Lehrende miteinander interagieren können. Weitere Workshop behandelten die Einsatzmöglichkeiten der Augmented Reality (Josef Buchner) und – man höre und staune: die Einsatzmöglichkeiten des Flipped Classroom in der Sing- und Musizierpraxis (Andreas Bernhofer und Elisabeth Wieland, Universität Mozarteum Salzburg) und „Mehrwert eines E-Learning-Models im Fachbereich Bewegung und Sport“ (Christian Rudloff, PH Wien).
Ich selbst durfte auch einen Workshop anbieten, in dem ich über die Möglichkeiten des Flipped Classroom in den wirtschaftlichen Fächern unserer Schule referierte. Die erste Frage, die wir uns stellten lautete: „To Flip or not to Flip“. Also: welche Inhalte soll man flippen und welche sollen lieber ungeflippt unterrichtet werden. Dazu wurde gemeinsam ein Padlet erstellt.
Im Anschluss stellte ich Methoden vor, mit denen der Unterricht gestaltet werden kann, wenn die Wissensvermittlung schon daheim (z. B. mit Erklehrvideos) erfolgte. Abschließend (die Zeit ging leider zu schnell vorüber) gab ich Tipps zur Erstellung von (guten und vielleicht sogar auch unterhaltsamen?) Videos. Die parallel stattfindende Diskussion war auch für mich sehr interessant und bereichernd. Von einer österreichischen Kollegin habe sogar ein neues Wort gelernt und in meinen aktiven Wortschatz aufgenommen: „erklärintensiv“.
Am Ende des ersten Tages bot Christian F. Freisleben-Teutscher einen Improvisationsworkshop an. So durften wir uns u. a. im Improvisationstheater versuchen, indem wir uns paarweise nur mittels Handzeichen durch den Raum führten oder gruppenweise auf Basis von zufälligen Wörtern basierende Kurzszenen spielen durften. Es war ein sehr inspirierender und belebender Abend, an dem wir aber auch Methoden kennenlernten, mit denen alle Schüler im Unterricht kollaborativ etwas erschaffen („Wort für Wort“).
Der zweite Tag der Konferenz war dem IC an den Hochschulen und Universitäten gewidmet. Prof. Dr. Ellen Roemer von der Hochschule Ruhr West hielt die Keynote des Tages mit dem Titel: „Das Inverted Classroom Modell lohnt sich … wirklich!“. Dazu konnte Prof. Roemer aus ihrem umfassenden Erfahrungsschatz berichten, denn sie hat in ihrer Lehrveranstaltung „Internationales Kundenbeziehungsmanagement“ jahrelang Elemente des ICM berücksichtigt. Sie stellte die entscheidende Frage (die mir so oder so ähnlich auch immer wieder gestellt wird): Wie lässt sich der Vorbereitungsaufwand für Lehrveranstaltungen die nach dem ICM gestaltet werden mit allen Anforderungen als Lehrender vereinbaren? Nach ihrem Vortrag hatte Prof. Roemer überzeugend begründet, dass sich der Vorbereitungsaufwand „wirklich lohnt“.
Nach zwei Tagen mit weiteren Workshops und sogar einer hybriden Schnitzeljagd ging es dann zurück nach Passau. Mit im Gepäck: Erinnerungen an Begegnungen mit inspirierenden Menschen und viele Anregungen, die ich in meinen Flipped Classroom einbinden möchte. Denn eines wurde auch dieses Jahr deutlich: Der Flipped Classroom ist ein dynamisches, sich weiterentwickelndes Konzept, das Hand in Hand mit der Digitalisierung des Lehrens und Lernens einhergehen wird.