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Warum eine Preiserhöhung beim Deutschlandticket ab 2025 leider vernünftig ist

Quelle: Transdev Vertrieb GmbH

Seit seiner Einführung im Mai 2023 hat das Deutschlandticket für 49 Euro den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr revolutioniert. Millionen von Menschen nutzen es, um bequem zur Arbeit zu fahren, durch Deutschland zu reisen, neue Orte zu entdecken oder einfach die Umwelt zu schonen. Doch nun steht eine Preiserhöhung auf 58 Euro ab Januar 2025 im Raum, die bereits für viel Gesprächsstoff und Unmut sorgt. Nicht nur bei mir. Ich selbst nutze das 9-Euro-Ticket und seinen Nachfolger, das „49-Euro-Ticket“, das von der Politik dann aber rasch zum „Deutschland-Ticket“ umbenannt wurde (um „Preisanpassungen“ nicht in Widerspruch zum Namen stehen zu lassen!). Mehr als 80 % meiner beruflich bedingten Fahrten hatte ich im letzten Jahr mit Bus oder Bahn zurückgelegt. Und: Dabei die Unbequemlichkeit des ÖPNV kennengelernt. Benötige ich mit dem Pkw ca. 20 Minuten bis zur Schule (oder zurück), so bin ich je nach Tageszeit 60 bis 75 Minuten unterwegs. Zum Teil warte muss ich am Hauptbahnhof ca. 20 Minuten auf den Anschlussbus warten – das ist die Zeit, in der ich mit dem Pkw schon zuhause wäre. Aber (noch) ist das okay für mich. Im Bus trifft man immer (ehemalige) Schüler, mit denen man sich gut unterhalten kann. Außerdem möchte ich den ÖPNV stärken und deshalb bin ich Abonnent des Deutschlandtickets, obwohl ich parallel einen Pkw besitze und finanziere. Über die kommende „Preisanpassung“ von 49 Euro auf 58 Euro (immerhin stolze 18 %) habe ich mich nicht nur geärgert, sondern auch gewundert.
Das „Gesetz der Nachfrage“ lautet: „Mit steigendem Preis sinkt die nachgefragte Menge.“ Das kann jeder von uns für viele Güter nachvollziehen.
Warum findet nun trotzdem eine Preiserhöhung statt? Will DIE POLITIK nicht die Verkehrswende erreichen? Will sie nicht Anreize dafür schaffen, die Leute für den ÖPNV zu gewinnen??? Hat DIE POLITIK nicht die Sorge, dass die bisherigen ÖPNV-Nutzer den Bussen und Bahnen den Rücken kehren?

Man kann viel schimpfen und diskutieren über diese Verteuerung („Preisanpassung“). Letzendlich ist sie trotzdem vernünftig – leider.

Der Grund liegt unter anderem in der unelastischen Nachfrage des Tickets.

1. Was bedeutet „unelastische Nachfrage“?

Um zu verstehen, warum eine Preiserhöhung Sinn ergibt, müssen wir zuerst klären, was unelastische Nachfrage überhaupt bedeutet. Bei Gütern mit unelastischer Nachfrage reagieren die Verbraucher wenig oder kaum auf Preisänderungen. Das bedeutet, selbst wenn der Preis steigt, sinkt die Nachfrage nur minimal. Typische Beispiele für solche Güter sind Strom, Benzin oder Medikamente – Dinge, auf die viele Menschen schlicht nicht verzichten können, auch wenn sie teurer werden.

Und genau hier kommt das Deutschlandticket ins Spiel.

2. Das Deutschlandticket als „Notwendigkeit“

Das Deutschlandticket ist für viele Menschen mehr als ein bloßes Freizeitprodukt. Vor allem Pendler, die auf den öffentlichen Verkehr angewiesen sind, betrachten es als Notwendigkeit. Ob sie zur Arbeit, zur Uni oder zu sozialen Terminen wollen – das Ticket ist der Schlüssel zu einem flexiblen und kostengünstigen Transportmittel.

Die Nachfrage ist also weniger preissensibel, da viele Nutzer kaum eine Alternative haben. Ohne das Ticket müssten sie teurere Einzelfahrten kaufen oder auf das Auto umsteigen, was sowohl finanziell als auch ökologisch oft unattraktiv ist. In diesem Sinne gleicht das Ticket in gewisser Weise einem „Grundbedarf“, dessen Konsum auch bei Preissteigerungen stabil bleibt.
Marcel Hardrath kommt in seinem sehr interessanten Artikel aus dem Jahr 2019 zu einem differenzierenden Ergebnis: Zu den Hauptverkehrszeiten reagiert die Nachfrage unelastisch („wenig“) auf Preiserhöhungen. Hier haben selbst große Preiserhöhungen nur kleine Nachfragerückgänge zur Folge. In den Nebenverkehrszeiten führen geringe Preiserhöhungen jedoch zu großen Nachfragerückgängen.

Sönke Albers nennt in seinem Working Paper „Absatzplanung von ÖPNV-Ticketarten bei differenzierter Preispolitik“ (1995) eine Preiselastizität von -0,3 (unter Berufung auf eine Studie von Curtin/Simpson). Diese Preiselastizität bedeutet z. B., dass eine 10%-ige Preiserhöhung einen Nachfragerückgang von 3 % zur Folge hätte. Gleichzeitig hätte jedoch eine 10%-ige Preissenkung gemäß der Studie eine Erhöhung der Nachfrage um  3 % zur Folge. (Faktisch ist es schwierig, diese Elastizitäten exakt zu belegen, da das Nachfrageverhalten nicht nur von den Güterpreisen abhängt. Diese Werte sind oft geschätzt, auf Umfragen basierend.)

3. Langfristige Stabilität und Infrastrukturkosten

Der Preis von 49 Euro war zu Beginn eine politische Maßnahme, um den öffentlichen Verkehr nach der pandemiebedingten Flaute anzukurbeln. Doch dieser Preis spiegelt nicht die REALEN KOSTEN wider, die entstehen, um den Schienenverkehr, Busse und Infrastruktur am Laufen zu halten.

Eine Preiserhöhung ab 2025 ist daher notwendig, um die steigenden Betriebskosten zu decken. Streckennetze müssen gewartet, Fahrzeuge modernisiert und Personal angemessen bezahlt werden. All das erfordert langfristige finanzielle Mittel. Ohne eine moderate Anpassung des Ticketpreises würden entweder die Qualität des Angebots leiden oder massive Subventionen notwendig sein – beides keine idealen Lösungen.

4. Positive Nebeneffekte einer Preiserhöhung

Interessanterweise könnte eine Preiserhöhung sogar zu positiven Effekten führen. Eine moderate Anhebung könnte bewirken, dass das Ticket nicht mehr von Gelegenheitsnutzern „überbeansprucht“ wird, was in überfüllten Verkehrsmitteln resultiert. So würde der öffentliche Verkehr in Stoßzeiten entlastet und die Nutzung effizienter gestaltet.

Gleichzeitig könnte der höhere Preis für das Deutschlandticket die Einführung weiterer Tarifmodelle fördern, die auf die Bedürfnisse von Gelegenheitsfahrern oder regionalen Nutzern zugeschnitten sind. Dies könnte insgesamt zu einer besseren Verteilung der Nachfrage und einem attraktiveren Angebot führen.

5. Die ökologische Komponente

Eine Preiserhöhung ist nicht gleichbedeutend mit einem Rückgang der ökologischen Vorteile. Das Deutschlandticket hat viele Menschen dazu motiviert, auf das Auto zu verzichten und auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen – ein Schritt, der sich positiv auf die CO2-Bilanz auswirkt.

Selbst mit einem höheren Preis bleibt das Ticket im Vergleich zu den Gesamtkosten eines Autos (Benzin, Versicherung, Wartung) eine attraktive Option für umweltbewusste Bürger. Auch bei einem etwas höheren Preisniveau ist es wahrscheinlicher, dass viele Menschen lieber auf das Deutschlandticket setzen, als wieder auf den Individualverkehr umzusteigen.

Fazit: Eine Preiserhöhung, die Sinn ergibt

Die Preiserhöhung des Deutschlandtickets ab 2025 ist nicht nur eine finanzielle Notwendigkeit, um die Kosten der Infrastruktur zu decken, sondern auch eine Entscheidung, die wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Nachfrage nach dem Ticket ist weitgehend unelastisch, da es für viele ein unverzichtbarer BESTANDTEIL des Alltags ist.

Zudem könnte die Anpassung des Preises zu einer besseren Nutzung des öffentlichen Verkehrs führen und langfristig ein stabiles Angebot sichern. Schließlich bleibt das Ticket auch mit einem höheren Preis eine umweltfreundliche und günstige Alternative zum Auto.

An dieser Stelle noch etwas mehr Volkswirtschaftslehre: Der sog. Prohibitivpreis gibt darüber Auskunft, ab welchem Preis die Nachfrage nach einem Gut auf Null sinkt, das Produkt also vom Einzelnen nicht mehr nachgefragt wird. Unterschiedliche Personen haben für dieselben Güter unterschiedliche Prohibitivpreise, die auch von ihrer Wertschätzung gegenüber dem Produkt abhängen (und z. B. auch vom Einkommen oder der Verfügbarkeit von Alternativprodukten).

Wo liegt mein Prohibitivpreis für das Deutschlandticket? Ich weiß es nicht. Die Preiserhöhung von 9 Euro auf 49 Euro habe ich mitgemacht. Die Erhöhung auf 58 Euro werde ich wohl auch mitmachen. Kündige ich aber mein Abo, wenn das Ticket dann mal z. B. 65 Euro kosten wird? Schwierige Frage! Die Kunst der PREISGESTALTUNG liegt nämlich auch darin, die Preise dermaßen zu erhöhen, dass die Nachfrager sie „gerade noch mitmachen“. Motto: Lieber häufiger kleine Preiserhöhungen als eine große, denn diese werden leichter akzeptiert.